Es ist mir wirklich eine große Freude und Ehre euch heute einen ganz besonderen Beitrag bei mir im Blog präsentieren zu können. Geschrieben wurde der Beitrag von Heiko Kunert. Heiko arbeitet beim Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e.V. (BSVH). Er ist selbst blind und hat mich in einem meiner letzten Beiträge darauf aufmerksam gemacht, dass z.B. png-Grafiken von Menschen, die das Web mithilfe eines Screenreaders, einer Sprachausgabe und Braillezeile nutzen, nicht gelesen werden können. So entstand schließlich die Idee dieses Gastbeitrages, für den ich Heiko ganz lieb danken möchte. Wer Heiko auf twitter folgen möchte, kann dies unter @HeikoKunert tun. Heiko hat auch einen eigenen Blog, den ihr unter blindpr.wordpress.com findet. So und nun endlich zu Heikos Gastbeitrag:
Mitmachen steht im Zentrum des Web 2.0: Posten, kommentieren, Vernetzen. Gerade für Menschen mit einer Behinderung bietet das Internet enorme Chancen. Sie können Kontakte knüpfen, auf ihre Situation aufmerksam machen und auf einer Augenhöhe mit nichtbehinderten Usern kommunizieren. Ich bin blind. Mein Computer spricht und hat eine Braillezeile – ein Gerät, das den Bildschirminhalt in Blindenschrift ausgibt. Ich blogge über Kultur, den Alltag als blinder Mensch und über meine Arbeit beim Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg. Und ich lese gern Blogs. Damit ich das kann, sollten sie barrierefrei sein.
Barrierefreiheit, englisch: Accessibility, bedeutet konkret, dass Grafiken und Bilder mit aussagekräftigen Alternativ-Texten versehen sind. Werden unkommentiert Flickr-Fotos eingebunden oder Bilder mit der Bezeichnung Foto002.jpg, dann liest mir mein PC kryptische Codes und Zahlen vor. Ob die Grafik aber ein Urlaubsschnappschuss, ein Partyfoto oder ein Schaubild mit Diagrammen ist, dass kann mein PC nicht erkennen. Wenn vorhanden, liest er mir aber Alternativ-Texte vor. Ihr könnt diese entweder mit dem alt-Attribut in html einfügen oder auf Blogging-Plattformen in die entsprechenden Feldereintragen.
Weiter ist eine sinnvolle Strukturierung notwendig. Das gilt vor allem für Überschriften Sie sollten eindeutig mit ihren unterschiedlichen Ebenen ausgezeichnet sein (in HTML mit <h1>, <h2> usw.). Ich kann dann nämlich auf der Website mit Tastenkombinationen von Überschrift zu Überschrift springen und bekomme dabei angesagt, auf welcher Überschriften-Ebene ich mich gerade befinde. So kriege ich einen Eindruck von der Struktur der Seite und kann mich selbstständig und schnell auf ihr zurechtfinden. Aufzählungen sollten als Listen mit sinnvoller Verschachtelung ausgegeben werden, Zitate ebenfalls als solche markiert werden. Schaltflächen brauchen eine verständliche Beschriftung, sonst sagt mein Computer nur „Schaltfläche“, und ich weiß nicht, was für eine das ist.
Einige Blogger versuchen sich mithilfe von Captchas vor Spam in den Kommentaren zu schützen. Blinde und sehbehinderte Leser können die Zeichenfolgen nicht aus der Grafik ablesen. Zwar gibt es hierfür inzwischen Tools, dennoch solltet Ihr auf rein visuelle Captchas verzichten, wenn Ihr eine barrierefreie Seite haben wollt. Gelegentlich gibt es Audio-Captchas, die meiner Erfahrung nach aber schwer zu nutzen sind. In Julias Blog hingegen muss man Zahlen zusammen zählen und die Lösung als Captcha-Ersatz eintragen. Das ist eine barrierefreie Lösung.
Accessibility bedeutet nicht nur, dass blinde Menschen das Web nutzen können. Seiten sollten für Sehbehinderte vergrößerbar sein. Sie sollten auch für Menschen nutzbar sein, die aufgrund einer motorischen Einschränkung keine Maus benutzen können. Videos sollten für gehörlose und schwerhörige Menschen untertitelt sein. Das Web ist dynamisch, immer wieder gibt es neue Funktionen. Häufig stellt man erst nach der Veröffentlichung neuer Tools fest, inwieweit sie barrierefrei sind. Würden die Anforderungen an ein Netz für alle bereits beim Programmieren berücksichtigt, wäre viel gewonnen.
Von Barrierefreiheit profitieren neben den rund 7 Mio. Behinderten in Deutschland auch die steigende Zahl der surfenden Senioren und jeder User, der eine klare Struktur und Übersichtlichkeit zu schätzen weiß. Und Accessibility ist nicht schwer, man muss nur daran denken. Wer sich ein bisschen mit den gängigen HTML-Standards auskennt oder wer eine entsprechende Weboberfläche oder Software zum Veröffentlichen nutzt, der sollte ein barrierefreies Blog hinkriegen. Ich würde mich darüber freuen.
Mehr Infos zum Thema gibt das Projekt BIK: Barrierefrei Informieren und Kommunizieren.
Autor: Heiko Kunert
Kommentare
4 Antworten zu „Bloggen ohne Barrieren“
[…] sein Blog für Blinde barrierefrei gestaltet, hat jüngst der blinde Blogger Heiko Kuhnert in einem Gastbeitrag im Blog von Julia Emde beschrieben. Da ich mich bereits bei der Gestaltung meines Lieblingshörerforums vor zwei Jahren […]
ich habe nach dem Lesen gleich angefangen, auf meiner HP die o.g. “kryptischen Codes und Zahlen” in aussagekräftige Bildtexte umzuändern, bin noch nicht fertig… Man wird mit der Zeit auch einfach nachlässig, schließlich ist es ja sooooo bequem, einfach Weide 1,2,3,4… durchzunummerieren ;-))) Danke also für die nur allzu berechtigten Hinweise und vor allem konkreten Vorschläge, wie Sven schon sagt, ohne Feedback der behinderten Nutzer hängt man da doch oft etwas in der Luft.
Sehr interessant. Ich lese ja immer viel zum Thema barrierefreies Internet, aber solche Erfahrungenberichte von Nutzern die es wissen müssen sind leider (noch) viel zu selten. Für mich als nichtbehinderten Nutzer ist, trotz gutem Willen, nicht immer genau abschätzbar welche der umgesetzten Dinge auf meinen eigenen Seiten wirklich nützlich für behinderte Nutzer sind.
[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Carsten Knobloch, zauberfrau, Ethem Küçük, Ethem Küçük, Peter Siegmund und anderen erwähnt. Peter Siegmund sagte: RT @zauberfrau: Es ist soweit, der Gastbeitrag steht: Bloggen ohne Barrieren http://bit.ly/bloggenohnebarrieren wurde geschrieben von @H … […]